Tag 2: Trans Germany: Lermoos – Pfronten
75 km, ca. 1870 hm, 3:57 Stunden, Platz 29
Nachdem mein Auge die ganze Nacht geeitert hat – sehr appetitlich 😉 – wache ich mit einem vollkommen verklebtem Auge auf. Wie trainiere ich mein Auge darauf sich besser an Dreck und Schlamm anzupassen ;-)?
Das Frühstück verläuft ziemlich entspannt. Einer meiner netten Teamkollegen merkt an „Du siehst ja aus wie wenn Du eine Nacht durchgesoffen hättest “ Halloooo?? Ich habe ein schlimmes und ein weniger schlimm eiterndes Auge! (Und bei durchgefeierten Nächten bin ich am nächsten Tag außerdem per se nur mit Sonnenbrille anzutreffen, kläre ich ihn auf 😉
Fast wie im richtigen Urlaub
Heute beginnt das Rennen erst um 11 Uhr. Das ist ja schon fast wie ausschlafen und wie im richtigen Urlaub – im Gegensatz zur Transalp Challenge. Die startet jeden Tag um 9 Uhr und man kommt meistens viel später ins Ziel, da die Strecken länger sind, schwieriger und mehr Höhenmeter haben.
Weil unser Team gestern in 2 unterschiedlichen Hotels übernachtet hat und wir am Abend unsere dreckigen Klamotten zum Waschen ins andere Hotel bringen konnten, müssen wir nachdem wir uns fertig gemacht haben, erst einmal zu den anderen fahren und Trikots, Handschuhe etc. wieder einsammeln. Netterweise – es regnet nämlich zur Abwechslung und hat auch die ganze Nacht durchgeschüttet – werden wir und unser restliches Gepäck mit dem gemieteten Sprinter abgeholt und rübergefahren.
Durch ein absolut geniales „unterschiedliches Beutel Packsystem“ kann ich mich so gut organisieren, dass sich alles was ich für die Strecke brauche (Luftpumpe, Gels, Snickers (!), zusätzliche Windweste, ipod (!) – im Robustheits-Test für den ipodshuffle habe ich sicher die meisten Erfahrungen aus der Praxis – in einem Beutel wiederfinde und deshalb nicht ständig panisch suchen muss: wo sind meine Handschuhe, wo ist mein Bandana, wo ist xyz? So organisiert müsste ich mal im Alltag sein 😉
Nachdem ich meine Sachen alle gefunden habe (Trikots etc. waren in der Pension in den verschiedenstesn Zimmern, Schränken, heizungen etc. verteilt), muss ich mein Rad noch Test-fahren. Nach den unzähligen Kettenklemmern vom gestrigen Tag, habe ich jetzt eine neue Kette drauf und muss kurz testen, ob alles funktioniert. Ich fahre die Straße auf und ab und ein paar steile Seitestraßen-Teerstiche hoch und es scheint alles zu passen. Toi, toi, toi. Die Straßen haben sich zu wahren Sturzbächen entwickelt und es ist Wahnsinn, was die Menschen hier an Wassermassen aus ihren Kellern pumpen.
Hochwasserfluten und Sturzbäche behindern die Strecke
Am Start erfahren wir dann auch, dass die Strecke etwas abgeändert werden musste, da das Hochwasser Teile der ursprünglichen Strecke unbefahrbar gemacht hat. Heute liegen 3 ca. 400 hm lange „Berge“ vor uns. Und Ulrich Stanciu kündigt an, dass wir mit ziemlich viel „Wasser von unten“ zu rechnen haben. Das bewahrheitet sich ab Kilometer 6 – von 74! – und ich bin bereits jetzt patschnass bis hoch zu meiner knielangen-Regenhose. Meine Laune ist heute wirklich im Keller. Das nervt!
Außerdem komme ich so schlecht aus den Startlöchern (das Schitzel vom Vorabend ist eindeutig schuld an meinen schweren Beinen), dass mich – gefühlt – Millionen von Fahrerinnen auf ersten Metern überholen. Das kann heiter werden. An diesem Tag werde ich wahrscheinlich wenig Spaß haben. Am ersten Berg überhole ich dann einige wieder und ich fühle mich schon etwas besser. Ich treffe auch auf Mandy (meine Gegnerin von gestern), mal schauen wer heute schneller ist, aber dann habe ich meinen langsamen Start wohl wieder wettgemacht 😉
In Lermoos hat man im Normalfall einen wunderbaren Blick auf die Zugspitze und – ich habe mich aufklären lassen – die Mieminger Kette. Aber heute ist alles grau in grau. Hoffentlich kommen wir bald ins Ziel.
Die verflixte Technik!
Beim Anstieg auf den 2. Berg dann beginnt es. Ich kann vorne nicht mehr auf mein kleines Ritzel schalten. Verdammt! O.K. nur nicht runterziehen lassen, dann fahre ich eben wie mit dem kleinsten Rennradgang hoch. Da bin ich ja auch schon über die Alpen gekommen. Das wird für die verbleibenden 35 bis 40 Kilometer mein Mantra: „ist alles wie beim Rennrad fahren. Wer braucht schon die kleinsten Gänge?“ Das klappt erstaunlich gut an Berg 2 und ich muss nur einmal wirklich absteigen.
Beflügelt von meinem unglaublichen Psychotrick und etwas nervös vor dem letzten Berg, stürze ich dann leider auf der folgenden Teerabfahrt beim „Überholansatz“ der Nummer 660 (was man sich alles so merkt). Volle Kanne über den Lenker. Auf die Nase und die Brust. Super gemacht. Es ist halt einfach sauklitschig. Erste Bestandsaufnahme: Das Visier meines Helms hat sich verabschiedet und muss wieder montiert werden. Es klebt Blut daran (Wo kommt das her??), mein Rad scheint unbeschädigt und der nette Fahrer, der anhält um mich zu fragen, ob alles in Ordnung ist, bestätigt mir, meine Nase blutet, ist aber wohl nur eine Schürfwunde. Zumindest sitzt sie noch ganz gerade. Meine Hüfte schmerzt auch etwas und eben meine Brust. Na gut, dann fahre ich mal weiter.
Der letzte Berg
Es läuft ganz gut und am letzten Anstieg bin ich nur am Überholen. Es hat auch Vorteile, wenn man in keinen kleineren Gang mehr schalten kann. Dann muss man einfach schneller hoch 😉 Irgenwo am letzten Berg steht das Auto der Rennleitung mit dem Leitungsteam an der Straße. Und Uli Stanciu klatscht mir persönlich zu 😉 Nach 3:57 Minuten komme ich dann ins Ziel. Cool, noch unter 4 Stunden. Und sogar mit einer etwas höheren Durchschnittsgeschwindigkeit als gestern, wunderbar. In Pfronten angekommen wartet auch gleich unsere nette Zielverpflegungshelferin Nicole mit Tee (super!) und der Sprinter, der ins Hotel fährt, das sich in einem anderen Ort befindet. Und zwar in Vils – in Österreich. Arrgh! Ich verlange einen Zuschuss zu meinen Roaming-Gebühren!
Wir haben eigentlich ein sehr cooles, geräumiges Appartement mit Küche und riesiger Badewanne. Blöd nur, dass das Wasser aus dem Hahn eher sehr, sehr lauwarm ist. Dann also Duschen auf Etappen. Meine Nase schmerzt und ist etwas geschwollen und meine Knie sind beide blau und ziemlich zerschunden. An meiner linken Hüfte macht sich ein großflächige Schwellung bemerkbar. Schön langsam brauche ich gar nicht mehr zum Massieren gehen, weil meine Beine so verschrammt sind.
Außerdem: Meine tolle blaue Regenjacke von Jeantex ist kaputt. So ein Scheiß! Und jetzt ist Jeantex auch noch pleite oder produziert zumindest nicht weiter und ich kann sie nicht nachkaufen. Blöd! Und meine Oakley-Sonnenbrille ist etwas in Mitleidenschaft gezogen und am Bügel verschrammt. Na dieser saublöde Sturz hat sich wirklich gelohnt. Aber immerhin: die Schlacht gegen Mandy habe ich gewonnen 😉 Sie ist heute ein paar Plätze hinter mir. Ebenso wie meine Teamkolleginnen, allerdings bin ich defektfrei durchgekommen und Gisela zum Beispiel hatte da etwas Pech. Na ja Rad-Defekt gegen Sturz …
Heute sind statt 119 nur noch 116 Damen mitgefahren. Eine Aussteigerin kenne ich: Andrea, meine Trainerin wurde gestern am Knie genäht und widmet sich jetzt voll und ganz unserer Streckenverpflegung 😉 Das finde ich gut, vielleicht hat das schlechte Wetter bei den anderen 2 Damen auch noch einen zusätzlichen Anreiz gegeben 😉
Das Essen am Abend ist super! Der Gastwirt verwöhnt uns ganz stolz mit einem 3 Gänge Menü. Hervorragend 😉 Ein bisschen schade ist, dass wir nicht viel von der Atmosphäre der Veranstaltung mitbekommen, da wir nicht auf die Pasta Partys gehen und so weit weg vom Etappenort schlafen, aber was solls. Bei dem Wetter hält sich die Stimmung wahrscheinlich sowieso in Grenzen.
Vor dem ins Bett gehen fängt mein rechtes Auge dann noch zu brennen an wie wenn ich noch 2 bis 3 Kiesel von gestern drin stecken hätte, also die Erlebnisse während eines Radetappenrennens sind einfach unbezahlbar 😉